Graz (A) * 1995 * Steirischer Herbst * 9 Wochen

Unter Auslotung der Ausländergesetzgebung wurden sieben MigrantInnen ohne Beschäftigungsbewilligung mit der Erarbeitung von sozialen Plastiken beauftragt. Die Aktion sicherte den Beteiligten einen legalen Aufenthalt in Österreich und unterstützte gleichzeitig auch Kinder und Schüler in kurdischen Städten und Bosnien.


Arbeit und Einkommen sind wesentliche Grundlagen für die Einbindung in eine Gesellschaft. Deshalb konzentrierte sich die WochenKlausur in Graz auf die Erschließung legaler Arbeitsmöglichkeiten für jene MigrantInnen, die nicht mehr in ihre Heimat zurück können, weil sie aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen verfolgt werden. Sie hatten keinen legalen Status, durften oder konnten aber auch nicht abgeschoben werden.
Um einer legalen Beschäftigung in Österreich nachzugehen, brauchen AusländerInnen eine Arbeitsbewilligung. Zum Zeitpunkt der Klausur schrieb der Sozialminister aber jährliche Bundeshöchstzahlen fest, und es war unmöglich, auch nur eine zusätzliche Beschäftigungsbewilligung zu erwirken. Die Gruppe machte deshalb von einer Sonderregelung für ausländische „KünstlerInnen“ Gebrauch. Der Gesetzgeber gestand KünstlerInnen auch ohne Arbeitsgenehmigung zu, solange im Land verweilen zu dürfen, als sie nachweislich von ihrer künstlerischen Tätigkeit - und zwar ausschließlich von dieser - leben können: "Keine Bewilligung brauchen Fremde, deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen, und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben." (§1 Abs.3 Z5).

2006, zehn Jahre später trat in Österreich ein schärferes Gesetz in Kraft, das diese Möglichkeit nicht mehr vorsieht. Aufgrund der gesetzlichen Lage 1995 war es der WochenKlausur aber noch möglich, die Zahl der legal erwerbstätigen Flüchtlinge um sieben zu erweitern. Die sieben Flüchtlinge mutierten einfach zu „KünstlerInnen“. Dazu mussten allerdings Patronanzen gefunden werden, die Aufträge zur Erstellung von Kunstwerken in Form sogenannter „sozialer Plastiken“ in Auftrag gaben und finanzierten. Aufträge und Honorare gaben den Nachweis einer gesicherten Existenz und somit hatten die Flüchtlinge Anspruch auf die Ausnahmeregelung für KünstlerInnen.

Eine zu erarbeitende soziale Plastik bestand zum Beispiel in der Bereitstellung von Hilfsgütern. Der Kurde Hoshyar Mohiden erhielt von der Werbeagentur Croce & Wir den Auftrag zur Erstellung folgender sozialer Plastik: Ein Jahr lang sollte er Babynahrung für die kurdischen Städte Dohuk, Erbil und Sulemanija sammeln - je mehr, desto besser. Andere KünstlerInnen sammelten Kinderkleidung oder Schulmaterial für Bosnien, oder sie reparierten alte Fahrräder für die Hochschülerschaft in Graz.
Um den Kunstanspruch zu untermauern, wurden alle Arbeiten nach Fertigstellung in einer Ausstellung „Projekt Soziale Plastik“ der Öffentlichkeit präsentiert: Diese Darbietung im Rahmen des steirischen herbst 96 untermauerte öffentlich den künstlerischen Anspruch der Auftragswerke. Danach wurden die Waren von Hilfsorganisationen an die Bestimmungsorte weitergeleitet. Das Projekt sicherte den Flüchtlingen ein Jahr legalen Aufenthalt in Österreich. Einige von ihnen (vor allem die BosnierInnen) kehrten danach in ihre Heimat zurück, einer heiratete in Österreich, zwei fanden als KünstlerInnen Folgeaufträge.
Barbara Baier, Martina Chmelarz, Andreas Leikauf, Katharina Lenz, Stefania Pitscheider, Erich Steurer, Wolfgang Zinggl