Köln (DE) * 2018 * Art & Amen * 4 Wochen

Auf Einladung des Programms „Art und Amen“ der Kirchengemeinde St. Gereon in Köln hat die WochenKlausur neue, zivilgesellschaftliche Nutzungsmöglichkeiten für einen Kirchenraum erschlossen und getestet.


Die Kirche St. Michael ist die drittgrößte Kirche Kölns und befindet sich im Herzen des Belgischen Viertels, mitten auf dem sehr beliebten und belebten Brüsseler Platz. Während der Platz - eher zum Missfallen der Anwohnerschaft - vor allem an lauen Sommernächten aus allen Nähten platzt, bleibt die Kirche so gut wie immer leer. Bei den Gottesdiensten, die nur mehr zweimal wöchentlich in einem kleinen Bereich um den Altar stattfinden, kommen etwa zwanzig Kirchgänger. Die Kirchenbänke im Hauptschiff, auf denen 250 Menschen Platz finden würden, füllen sich nur zweimal jährlich - zu Ostern und zu Weihnachten.

Um herauszufinden, welche Nutzungsmöglichkeiten es für den beinahe 1000m2 großen, ungenutzten Teil des Kirchenraums gibt, hat die WochenKlausur einen niederschwelligen Beteiligungsprozess durchgeführt. Gezielt wurde der Dialog mit Anwohnern und Stakeholdern, mit Personen der Stadtverwaltung, der Politik, der Kirche sowie diversen sozialen und gesellschaftlichen Einrichtungen gesucht. In vier Wochen vor Ort wurden über hundert persönliche Gespräche geführt. Mithilfe von 2000 Postkarten, die in den Nachbarschaft verteilt wurden, einem Postkasten am Kirchenportal, über die extra hierfür erstellte Facebook-Seite “922m2” sowie lokalen Medien wurden alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich an der Beantwortung der Frage, wie der Kirchenraum genutzt werden könnte, zu beteiligen. In Kooperation mit dem Kölner Speaker’s Corner “Köln spricht” fand außerdem am 1. Mai 2018 auf dem Brüsseler Platz eine öffentliche Diskussion über die Fragestellung statt.

Die vorgeschlagenen und diskutierten Nutzungen waren sehr vielfältig - von einem Obdachlosenheim über einen Wintergarten bis hin zur einer Kletterhalle - aber der am häufigsten geäußerte Wunsch war, den Kirchenraum als niederschwelligen Ort und zivilgesellschaftliches Zentrum des Viertels zu beleben. Die WochenKlausur startete also eine Testphase, in der der Raum an interessiere Gruppen, Privatpersonen und Initiativen übergeben wurde. Der Fokus lag dabei auf Konzepten, die eine gemeinschaftliche Nutzung des Kirchenraumes vorsahen. Die Bandbreite der unterschiedlichen “Versuche” reichte von sportlicher Betätigung und meditativen Angeboten wie Yoga und Achtsamkeitstraining, über eine Chorprobe bis zum Konzert mit Geflüchteten. Einer gesellschaftspolitischen Diskussion zum Thema Kirchenasyl wurde ebenso Raum geboten wie einem Workshop zur Zukunft Europas. Beim gemeinsamen “Essen mit Freunden” konnte sich an einer langen Tafel die gesamte Nachbarschaft treffen. Um den riesigen, leeren Kirchenraum auf verschiedene Arten nutzbar zu machen hat der Verein Niehler Freiheit Raumskizzen in Form von 3x3 Meter großen Kuben gebaut. So entstand in der Kirche ein Wohnzimmer, eine kleine Bühne, ein Büroraum, ein meditativer Raum sowie ein Kino.

Der Erfolg der Aktion war so groß, dass der Kirchenvorstand sich schon nach wenigen Tagen dazu entschloss, diese Art der Nutzung weiterzuführen. Die WochenKlausur hat daraufhin eine Gruppe an engagierten Menschen gefunden, die in Zukunft den Kirchenraum gemeinschaftlichen Interessen zur Verfügung stellen werden.

Die WochenKlausur hat ihre Erkenntnisse über den Prozess in einem Katalog zusammengefasst, der hier zum Download bereit steht.

Weitere Informationen und aktuelles Programm: fb.com/922m2
Hannah Oellinger, Manfred Rainer, Karl Seiringer, Claudia Eipeldauer, Stefan Wirnsperger, Irmi Fuchs