KASSEL (D)* 2012 *Evangelische Kirche* 6 Wochen

Der Umgang mit suchtkranken Menschen, die sich an städtischen Plätzen aufhalten ist, wie überall, auch in Kassel ein viel diskutiertes Thema. Für den Lutherplatz entwickelte die WochenKlausur ein Konzept zur Konfliktreduktion, das mittlerweile gemeinsam von Stadt und Kirche realisiert wird.


Der Lutherplatz ist für viele eine belebende Grünzone mitten in der Stadt und bietet gleichzeitig eine direkte Verbindung zum Zentrum. Der Park wird jedoch nicht nur von PassantInnen genutzt. Die Evangelische Kirche betreibt hier ein Gemeindezentrum und Anfang 2013 wird auch die Jugendkulturkirche hierher übersiedeln. Die Kulturinitiative tra.fo betreibt an der Nordspitze des Platzes einen kleinen Ausstellungsraum und an manchen Abenden, vor allem an Samstagen, treffen sich Jugendliche, um sich mit Alkohol für den Diskobesuch in Stimmung zu bringen. Der Lutherplatz ist aber auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt für Suchtkranke.
Vor allem diese Gruppe hat dem Ort in der öffentlichen Meinung ein schlechtes Image eingetragen, denn die Presse schürt mit negativen Schlagzeilen lieber Ängste, statt die Frage zu diskutieren, wem der öffentliche Raum gehört und was er für die Gemeinschaft leisten kann. Angesichts der unterschiedlichen Interessen, die am Lutherplatz aufeinanderprallen, wurde die WochenKlausur vom Evangelischen Stadtkirchenkreis eingeladen, an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten.

In einer ersten Phase im Februar wurden zunächst neunzig Gespräche geführt. Mit Vertretungen der Polizei, des Ordnungsamts, der Kirche, der Stadtverwaltung sowie der sozialen Einrichtungen und natürlich mit den Betroffenen selbst. So konnte sich die Gruppe ein genaues Bild machen und für ein Verständnis der prekären Lebensbedingungen von Randgruppen werben, ohne die bestehenden Ängste zu bagatellisieren.

Nach Abschluss der Gespräche entwickelte die Gruppe das Konzept einer mobilen Sozialarbeit mit Schlichtungsfunktion. Abwechselnd sollen eine Sozialarbeiterin und ein Sozialarbeiter allfällige Konflikte im Vorfeld entschärfen und als Ansprechpersonen vor Ort dafür Sorge tragen, dass gemeinsam erarbeitete Regeln zur Nutzung des Platzes eingehalten werden. Sie helfen den Suchtkranken in akuten Notfällen, bemühen sich aber auch, die Kommunikation zu verbessern und damit die Einsätze des Ordnungsamts, das Müllproblem und schließlich die Ängste von PassantInnen zu reduzieren.

In einer zweiten Phase ging es an die Verwirklichung. Dies war nur mit Kirche und Stadt möglich. Um dem Ziel ein Stück näher zu kommen, wurde am Lutherplatz für einige Tage ein rotes Gartenhaus errichtet, in dem sich Vertreter von Stadt, Kirche und sozialen Einrichtungen trafen, um Möglichkeiten zur Umsetzung des Plans zu diskutieren.
Vor allem strukturelle Fragen wurden besprochen: Wer übernimmt die Trägerschaft, welche Präsenzzeiten sind erforderlich, wie sieht die Zusammenarbeit mit dem nahen Café Nautilus (einem Aufenthaltsraum für Suchtkranke) und dem geplanten Trinkraum aus? Thematisiert wurde auch die Finanzierung. Sowohl die Evangelische Kirche als auch die Stadt Kassel haben sich schlussendlich bereit erklärt, die geplanten Stellen einzurichten und zu finanzieren. Die Sozialarbeit mit Schlichtungsfunktion ist seit Frühjahr 2013 im Einsatz.

Claudia Eipeldauer, Fabian Faltin, Nadja Klement, Hannah Öllinger, Manfred Rainer, Wolfgang Zinggl