Leipzig (D) * 2006 * Shrinking Cities, Galerie für zeitgenössische Kunst * 6 Wochen

Im Rahmen der Ausstellung Schrumpfende Städte-Interventionen entwickelte die WochenKlausur ein Modell, mit dem Langzeitarbeitslose „Ein-Euro-Jobs“ selbst gestalten können. Da die Tätigkeit in derartigen Jobs als Voraussetzung für den Bezug des Arbeitslosenentgelts oft als Zwangsmaßnahme empfunden wird, sollte die Motivation der Betroffenen unterstützt werden, indem sie selbst Art und Gestaltung ihrer Tätigkeit definieren können.


Unter heftigen Protesten von Gewerkschaften wurde in Deutschland eine Reform der Arbeitsmarktpolitik zur Reduktion der Arbeitslosigkeit beschlossen. Mit den neuen Gesetzen konnten Vereine, öffentliche Institutionen und private Unternehmen Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Tätigkeiten anfordern. Für sechs Monate werden die Arbeitslosen diesen sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ zugewiesen, auch wenn sie für die zugeteilten Tätigkeiten keine entsprechende Ausbildung besitzen. Bei Verweigerung kann das Arbeitslosengeld (ALG II) gestrichen werden. Diese „staatlich bezahlten Arbeitsgelegenheiten“ wurden häufig als Zwangszuweisungen empfunden.
Hier setzte die WochenKlausur an. Wenn Erwerbslose schon zu Jobs verpflichtet werden, um ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu verlieren, sollten sie zumindest auf die Art der Tätigkeit Einfluss nehmen können. Sie sollten ihre eigenen Ein-Euro-Jobs kreieren und definieren dürfen.

Über Zeitungsartikel, Flyer und gemeinsam mit Erwerbsloseninitiativen, dem Quartiersmanagement Kleinzschocher und Alumni-Vereinen der Universität Leipzig wurden zunächst ALG II EmpfängerInnen zu mehreren Treffen eingeladen. Bei diesen Treffen konnten sie Ideen für Ein-Euro-Jobs entwickeln. Schließlich haben sich 12 Personen in vier Gruppen zusammengeschlossen und folgende Konzepte ausgearbeitet:

- Technische Hilfe für SeniorInnen: Drei ALG II EmpfängerInnen gründeten einen Pool, der alten Menschen Hilfe im täglichen Umgang mit neuer Technologie anbietet (Mobiltelefon, Computer, Bedienungsanleitungen etc.).
- Außenstelle Literatur: Drei Literaturinteressierte wählten Übersetzungen fremdsprachiger Literatur zu einem Thema aus und organisierten Lesungen in Stadtgebieten mit geringem kulturellem Angebot.
- Galerie Stadtteil: Drei erwerbslose Kunstschaffende führten Kunst-Workshops in den Leipziger Stadteilen Volkmarsdorf und Reudnitz durch und organisierten Ausstellungen von bezirksansässigen KünstlerInnen.
- Lesecafe: Eine Gruppe von drei ALG II EmpfängerInnen gründete die Veranstaltungsplattform Lesecafé für kleine, nicht-kommerzielle Veranstaltungen.

Auf Antrag der WochenKlausur und nach mehreren Verhandlungen hat das zuständige Amt, die ARGE Leipzig, der Durchführung dieser ersten vier Pilotprojekte zugestimmt und die Möglichkeit für ähnliche Nachfolgeprojekte garantiert. Es war somit gelungen, innerhalb des engen gesetzlichen Rahmens einen Handlungsspielraum für ALG II EmpfängerInnen zu eröffnen, der ihre Qualifikation und die persönlichen, beruflichen Entwicklungsinteressen berücksichtigt. Als „Arbeitgeber“ konnte die WochenKlausur gemeinnützige Vereine verpflichten.

Zuletzt konnte noch der Arbeitslosenverband Leipzig dafür gewonnen werden, nach dem Ende des WochenKlausur Projekts weitere interessierte Erwerbslose darin zu unterstützen, einer willkürlichen Zuweisung zu Ein-Euro-Jobs mit eigenen Vorschlägen für sinnvolle Tätigkeiten zuvorzukommen.

Norbert Bacher, Claudia Eipeldauer, Bertram Haude, Hans-Christian Lotz, Martina Reuter, Barbara Seifert, Karl Seiringer, Wolfgang Zinggl